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Ehemaliger Insider der Agrar-Gentechnik möchte, daß seine GV-Pflanzen zurückgezogen werden

Dr. Caius Rommens entwickelte GV-Kartoffeln für Simplot – aber er sagt, die meisten waren verkrüppelt, mutiert oder steril, und viele starben schnell, so wie frühgeborene Kinder

Gentechnik ist nicht jedermanns Kindheitstraum. Ich hatte selbst dann kein Interesse daran, als ich an der Universität Amsterdam Biologie zu studieren begann, aber mein Professor erklärte, daß sie [nur] gewöhnungsbedürftig und die beste Option für eine gute Arbeitsstelle sei. Also unterdrückte ich meine Zweifel und lernte, DNA aus Pflanzen zu extrahieren, die DNA in Reagenz-Gläsern zu rekombinieren, diese Verbindungen wieder in Pflanzen-Zellen hineinzubringen und [dann] Hormone zu verwenden, um sich aus ihnen [ganze] Pflanzen neu bilden zu lassen.

Die Menschen sagen, daß Liebe blind macht, ich aber fing an, das zu lieben, was ich blind machte. Oder vielleicht [anders gesagt]: das, was als gewöhnungsbedürftig seinen Anfang nahm, wurde bald zu einer gefährlichen Sucht. Gentechnik wurde zu einem Teil von mir.

Nachdem ich meinen Doktor-Titel erhalten hatte, ging ich an die Universität von Kalifornien in Berkeley, um bei einem neuen Zweig der Gentechnik zu helfen. Ich isolierte mehrere Krankheits-Resistenz-Gene aus wilden Pflanzen und zeigte zum ersten Mal, daß diese Gene Resistenz auf domestizierte Pflanzen übertragen konnten. Monsanto gefiel meine Arbeit und lud mich ein, in St. Louis sein neues Programm zur Krankheits-Kontrolle zu leiten.

Ich hätte diese Einladung nicht annehmen sollen. Ich wußte sogar damals, daß Pathogene nicht mittels einzelner Gene kontrolliert werden können. Sie entwickeln sich zu rasch um jede Infektions-Barriere herum hin zu einer Resistenz. Insekten und Pflanzen benötigen 2 oder 3 Jahrzehnte, um ein Resistenz-Gen zu überwinden, aber Pathogene brauchen nur ein paar Jahre, meistens jedenfalls, um dasgleiche zu tun.

Dennoch akzeptierte ich die Einladung, und die nächsten folgenden  6 Jahre wurden zu einem echten Trainingslager in Gentechnik. Ich lernte viele Tricks dabei anzuwenden, wie man den Charakter von Pflanzen ändert, und ich lernte damit aufzuhören, mir um die Konsequenzen von solchen Veränderungen Gedanken zu machen.

Im Jahr 2000 verließ ich Monsanto und startete ein unabhängiges Gentechnik-Programm bei der J.R. Simplot Company in Boise, Idaho. Simplot ist der größte Verarbeiter von Kartoffeln auf der Welt. Es war mein Ziel, GV-Kartoffeln zu entwickeln, die von den Bauern, Verarbeitern und Konsumenten hoch geschätzt werden würden. Bis dahin war Gentechnik zu einer Obsession geworden, und ich erschuf mindestens 5.000 unterschiedliche Versionen in jedem Jahr – mehr als jeder andere Gentechniker. Alle diesen potentiellen Varietäten wurden vermehrt, in Gewächshäusern oder auf einem Versuchsfeld wachsen gelassen und in Hinblick auf ackerbauliche, biochemische und molekulare Charakteristika ausgewertet.

Ich unterdrückte die fast tägliche Erfahrung, daß keine meiner Modifikationen die Vitalität und das Ernte-Potential verbesserte. Im Gegenteil waren die meisten GV-Kartoffeln verkrüppelt, chlorotisch [krank aufgrund von Chlorophyllmangel], mutiert oder steril und viele von ihnen starben schnell, so wie früh geborene Babys.

Trotz all meiner stillen Enttäuschungen kombinierte ich schließlich 3 neue Eigenschaften in Kartoffeln hinein: Krankheits-Resistenz (für die Bauern), keine-Knollen-Verfärbung (für die Verarbeiter) und reduzierte Lebensmittel- Karzinogenität (für die Verbraucher).

Es fiel mir schwer, darüber nachzudenken, daß meine gentechnisch veränderten Varietäten verdorben sein könnten, so wie es einem Elternteil schwer fällt, die Vollkommenheit seiner Kinder anzuzweifeln. Unsere Vorannahme war, daß GVO sicher sind. Aber mein Pro-Gentechnik-Filter wurde schließlich dünn und zerbrach am Ende gänzlich.

Ich erkannte einige kleinere Fehler [oder: Irrtümer] und hatte meine ersten Zweifel an den Produkten meiner Arbeit. Ich wollte unser Programm erneut auswerten und es verlangsamen, aber es war ein bißchen sehr zu spät. Jetzt waren Geschäftsführer mit involviert. Und sie sahen Dollar-Zeichen. Sie wollten expandieren und das Programm beschleunigen und nicht es abbremsen.

2013 entschloß ich mich zu gehen. Es war schmerzlich, den Großteil meines erwachsenen Lebens hinter mich zu lassen.

Der wirkliche Umfang meiner Irrtümer wurde mir erst ofensichtlich, nachdem ich auf eine kleine Farm in den Bergen des Pazifischen Nord-Westen umgesiedelt war. Mittlerweile hat Simplot die reguläre Zulassung meiner GV-Varietäten angekündigt. Als das Unternehmen anfing, die stillen Einführungen auf Amerikanische und Asiatische Märkte zu planen, züchtete ich unabhängig Pflanzen und Tiere und benutzte dabei konventionelle Methoden.

Und weil ich mich weiterhin wegen meiner Konzern-Vergangenheit unbehaglich fühlte, prüfte ich erneut die ungefähr 200 Patente und [wissenschaftlichen] Artikel, die ich in der Vergangenheit veröffentlicht hatte, ebenso wie die verschiedenen Anträge auf Deregulierung.

Nun, wo ich nicht mehr soviel voreingenommen war, identifizierte ich größere Fehler leicht.

Mit dem Irrtum verläuft Dein Leben umgekehrt.
Nun kannst Du genauer sehen, was Du tatest
Falsch gestern und falsch den Tag davor
Und jeder Fehler führt zurück zu etwas Ärgerem.
(James Fenton)

Zum Beispiel hatten wir drei der am meisten konservierten Gene stillgelegt, wobei wir davon ausgingen, daß jede der 3 genetischen Änderungen jeweils nur eine Auswirkung haben würde. Das war eine lachhafte Vorannahme, weil alle Gen-Funktionen untereinander verknüpft sind. Eine jede Veränderung hatte tatsächlich eine sich ausbreitende Wirkung. Es hätte mir klar sein sollen, daß das Stummschalten des ‚Melanin-Gens’ PPO viele Auswirkungen mit sich bringen würde, einschließlich einer Beeinträchtigung der Streß-Toleranz-Reaktion. Ähnlich gehören Asparagin und Glucose zu den grundlegendsten Bestandteilen einer Pflanze, warum also glaubte ich, ich könne die Gene ASN und INV stummschalten [oder: ausschalten], die in die Bildung dieser Substanzen eingebunden sind? Und warum fragte mich niemand?

Eine weitere befremdliche Annahme bestand darin, daß ich mich in der Lage fühlte, auf der Grundlage von Kurzzeit-Experimenten die Abwesenheit von unbeabsichtigten Langzeit-Effekten vorauszusagen. Das war dieselbe Annahme, die Chemiker benutzt hatten, als DDT, Agent Orange, PCBs, rekombinantes Rinderwachstums-Hormon und so weiter kommerzialisiert wurden.

Die GV-Pflanzen-Varietäten, die ich kreierte, sind zurzeit unter unverfänglichen Namen freigegeben, wie z. B. Innate, Hibernate und White Russet. Sie werden als Kartoffeln beschrieben, die besser als normale Kartoffeln und leichter als diese zur verwenden sind und die weniger Druckstellen enthalten, aber die Wirklichkeit ist eine andere. Die GV-Kartoffeln reichern wahrscheinlich mindestens 2 Toxine an, die in normalen Kartoffeln nicht vorkommen, und neuere Versionen (Innate 2.0) verloren zusätzlich ihre sensorischen Qualitäten, als sie gebraten wurden. Darüberhinaus enthalten GV-Kartoffeln mindestens so viele Druckstellen wie normale Kartoffeln, aber diese unerwünschten Stellen sind jetzt verborgen.

Es gibt noch viele strittige Punkte mehr, und einige von ihnen hätten eher erkannt werden können, wenn man sie nicht durch irreführende Statistiken in den Deregulierungs-Anträgen zugedeckt hätte. Wie konnte ich diese Punkte verpassen? Wie habe ich den Statistikern vertrauen können? Wie hat das USDA [Landwirtschaftsministerium der USA] ihnen trauen können? Meine erneute Auswertung der Daten zeigt eindeutig, daß die GVO-Varietäten ernsthaft in ihrem Ernte-Potential sowie in ihrer Fähigkeit, normale Knollen zu produzieren, beeinträchtigt sind.

Unglücklicherweise enden die meisten GV-Kartoffeln als nicht gekennzeichnete Lebensmittel, die ununterscheidbar von anderen Nahrungsmitteln sind. Verbraucher-Gruppen müßten PCR-Tests durchführen, um festzustellen, ob bestimmte Produkte, einschließlich Fritten und Chips, GVO-Material enthalten oder nicht.

Angesichts der Natur der Kartoffel-Industrie werden die üblichsten Kartoffel-Varietäten, so wie die Russet Burbank und Ranger Russet, bald mit [Kartoffeln] kontaminiert sein, die von GVO abstammen.

Ich habe jetzt die neuen Schlußfolgerungen dieser vergangenen Arbeit in einem Buch mit dem Titel „Pandora’s Potatoes“ zusammengefaßt (ohne Firmen-Geheimnisse bloßzulegen – ich bin gebunden an Vertraulichkeits-Vereinbarungen). Dieses Buch, das jetzt bei Amazon verfügbar ist, legt dar, warum ich auf meine Tätigkeit bei Simplot verzichtete, und warum die GVO-Varietäten vom Markt zurückgezogen werden sollten. Es ist eine Warnung und ein Aufruf zum Handeln: eine Hoffnung, daß andere mit zusätzlicher Evidenz hervortreten werden, damit die Öffentlichkeit, mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln, eine Chance hat, der Engstirnigkeit der Gentechnik-Industrie entgegen zu wirken.

Mein Buch beschreibt die vielen strittigen Fragen von GV-Kartoffeln, aber GV-Kartoffeln sind keine Ausnahme. Sie sind die Regel. Ich hätte ebenso gut über die experimentellen GVO-Varietäten, die wir bei Monsanto entwickelten, schreiben können (und werde es vielleicht tun), die ein Anti-Pilz-Eiweiß enthielten, das ich jetzt als Allergen anerkenne, über die Krankheits-Resistenz, die Insekten-Empfindlichkeit verursachte, oder über irgendetwas anderes in der Gentechnik.

Am 3. Mai 2018 schrieb der Kolumnist Michael Gerson in der Washington Post: „Anti-GVO ist Anti-Wissenschaft“. Seine Behauptung wurde von seinem Kollegen Mitch Daniels wiederholt, der noch hinzufügte: „Das ist nicht nur Anti-Wissenschaft. Das ist unmoralisch“. Aber diese 2 Kolumnisten sind keine Wissenschaftler. Sie verstehen nicht das Ausmaß der Befangenheit und Selbst-Täuschung, das unter den Gentechnikern existiert. In der Tat sollte jeder, der Pro-Wissenschaft ist, verstehen, daß Wissenschaft dazu vorgesehen ist, die Natur zu studieren, und nicht, um sie zu modifizieren – und bestimmt nicht dazu, angesichts von starker Evidenz vorauszusagen, daß es keine unbeabsichtigten Effekte gäbe.

Die wirkliche Anti-Wissenschafts-Bewegung ist nicht auf den Straßen. Sie sitzt,  wie ich entdeckte, in den Laboratorien von Konzern America.
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Übersetzung (samt Gedicht) [mit Anmerkungen in Eck-Klammern] durch:
GenAG von attac-bielefeld.de

Daten des Orginal-Artikels:
Titel: Hidden Health Dangers: A Former Agbiotech Insider Wants His GMO Crops Pulled
Autor: Caius Rommens
URL: https://www.independentsciencenews.org/health/hidden-health-dangers-former-agbiotech-insider-gmo-crops/