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Während der letzten 4 Monate haben 121 Nobel-Preisträger einen Brief unterzeichnet, der die Sicherheit und Vorteile von gentechnisch veränderten Pflanzen [kurz: GV- oder Gen-Pflanzen] anpreist. Prof. David Schubert vom Salk Institut und Steven M. Druker Leitender Direktor der Alliance for Bio-Integrity erläutern, warum sie diesen Brief für einen Angriff auf [die] Wissenschaft und das öffentliche Vertrauen halten

Während der letzten 4 Monate haben 121 Nobel-Preisträger einen Brief unterzeichnet, der die Sicherheit und Vorteile von gentechnisch veränderten Pflanzen anpreist und behauptet, daß Organisationen und Personen, die nicht deren ungehemmte Einführung unterstützen, ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begingen.

Die Kampagne, um an die Unterschriften zu gelangen, wurde von Richard Roberts, dem obersten wissenschaftlichen Angestellten der New England Biolabs organisiert, der mit Unterstützung des ehemaligen Leiters der Kommunikations-Abteilung von Monsanto eine Presse-Konferenz in Washington D. C. abhielt, um den Brief zu veröffentlichen.

Es überrascht nicht, daß der Brief einen größeren Einfluß ausgeübt hat. Obwohl er vorgibt, auf Wissenschaft zu beruhen, sind seine hauptsächlichen Behauptungen nachweislich falsch.

Zu diesen Aussagen gehört die Behauptung, daß wissenschaftliche und Regulierungs-Dienststellen „folgerichtig“ festgestellt haben, daß gentechnisch veränderte [kurz:Gen-] Pflanzen „so sicher [wie] oder sicherer“ als die konventionellen seien.

Dies ist ganz klar falsch und viele [unterschiedliche] wissenschaftliche Gremien haben andere Schlußfolgerungen gezogen.

Zum Beispiel erklärte ein Experten-Gremium der Royal Society of Canada, daß es wegen des Risikos von nicht vorhersagbaren schädlichen Neben-Wirkungen „wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen ist“, alle Gen-Nahrungsmittel für sicher zu halten.

Andere respektierte Institutionen wie die Britisch Medical Association und die Public Health Association of Australia haben ebenfalls Bedenken ausgedrückt, wobei die australische Vereinigung ein zeitlich „unbeschränktes Einfrieren“ von Gen-Pflanzen forderte. Und jüngst unterzeichnete Putin auf den Rat von russischen Wissenschaftlern hin ein Gesetzes-Verbot von Gen-Pflanzen.

Gleichermaßen falsch ist die Behauptung des Briefes, daß „es niemals einen einzigen bestätigten Fall einer negativen gesundheitlichen Auswirkung auf Menschen oder Tiere“ gegeben habe, die durch den Konsum eines Gen-Produktes verursacht wurde.

Tatsächlich starben viele Menschen und tausende erkrankten durch ein Nahrungs-Ergänzungsmittel, L-Tryptophan, das von Gen-Bakterien hergestellt geworden war.

Und ein großer Korpus wissenschaftlicher Literatur zeigt ungünstige gesundheitliche Effekte bei Labor-Tieren und Tieren auf Bauernhöfen, die durch Gen-Nahrungsmittel ausgelöst wurden, als auch durch Chemikalien, die zu ihrer Produktion erforderlich sind.

Die Behauptungen des Briefes zu dem einzigen Produkt, das er spezifisch nennt, [nämlich] den Goldenen Reis, sind auch falsch.

Dieses Produkt, das so konzipiert worden ist, um Beta-Karotin im Übermaß zu produzieren, die Vorstufe zum Vitamin A, wurde in der Hoffnung entwickelt, den in Teilen Asiens weit verbreiteten Mangel an Vitamin A zu beheben, der zu Blindheit und sogar zum Tode führen kann.

Erstaunlicherweise spielt der Brief damit nicht nur darauf an, daß der Reis das Problem lösen wird, sondern daß diejenigen, die seine Sicherheit in Frage stellen, durch das Blockieren seiner Verwendung unwissentlich Millionen Tote verursachen würden.

In Wirklichkeit ist der Reis jedoch [deswegen] nicht im Umlauf, weil er keine gute Leistung erbracht hat und weil er nirgendwo annähernd fertig ist; und das Internationale Reis-Forschungs-Institut hat erklärt, daß es weiterhin unklar ist, ob der Reis fähig sei, den Mangel zu kurieren.

Außerdem sollte der Gen-Reis aus der Perspektive eines Wissenschaftlers, der Beta-Karotin im Kontext der Gehirn-Entwicklung studiert hat (eine Perspektive, über die einer der Autoren von uns verfügt), sogar dann, wenn der Gen-Reis vollumfänglich wirksam und fertig wäre, hinausgezögert werden, weil er ein größeres Risiko für die Gesundheit darstellt.

Erstens tendiert die Art von Modifikation, die nötig ist, um den Goldenen Reis zu erschaffen, dazu, ungewollte Neben-Produkte zu erzeugen, so wie das von dem jüngeren Report der Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS –National Academy of Sciences) anerkannt worden ist.

Zweitens werden einige der überflüssigen Nebenprodukte von dem Reis wahrscheinlich mit der Retinolsäure verwandt sein, einem Bestandteil, der sogar bei ultra-kleinen Mengen Geburtsfehler verursacht.

Und vielleicht noch beunruhigender ist, daß die Befürworter mit diesem experimentellen Reis zig Mengen von Kindern füttern wollen, ohne zuerst rigorose Tests durchzuführen, um sicher zu gehen, daß er [wenigstens] Mäusen keinen Schaden zufügt!

Die weiteren hauptsächlichen Behauptungen des Briefes stehen ebenfalls in Gegensatz zu den Fakten.

Zum Beispiel prahlt er damit, daß Gen-Pflanzen „der Umwelt weniger Schaden zufügen“ würden und notwendig seien, „um die Welt zu ernähren.“

Aber in Wirklichkeit haben die Monokulturen mit Gen-Pflanzen und die großen Mengen Herbizide, die sie erforderlich machen, unsere Schmetterlings-Populationen dezimiert, zu der Entwicklung von herbizid-resistenten Super-Unkräutern geführt und die Körper der menschlichen Bevölkerung in den Entwicklungs-Ländern mit Glyphosat kontaminiert: einem Toxin und Störer des Hormonsystems sowie einem potentiellen Karzinogen.

Darüberhinaus entschied eine ausgedehnte Studie, die von der Welt-Bank und vier Behörden der Vereinten Nationen finanziert wurde, daß Gen-Pflanzen nicht nötig sind, um die Welt mit Nahrung zu versorgen, und daß stattdessen nachhaltige und agrar-ökologische Techniken zunutze gemacht werden sollten.

Also, warum möchten so viele bedeutende Wissenschaftler ein ernstlich falsches Dokument unterzeichnen, dessen augenscheinliches Ziel darin besteht, eine ernsthafte Diskussion über die Risiken von Gen-Nahrungsmitteln zu unterdrücken?

Der einleuchtendste Grund ist, daß sie sich der meisten relevanten Fakten nicht bewußt waren und darauf vertrauten, daß der Brief genau sei.

Die weitaus große Mehrheit von ihnen ist auf Gebieten [zuhause], die ganz und gar nicht mit Biotechnologie verwandt sind, und wahrscheinlich nahmen sie an, daß sie die Wissenschaft hoch halten und eine wichtige humanitäre Angelegenheit unterstützen.

Und wir würden wetten, daß sie ihre Namen nicht für einen solchen abwegigen PR-Trick hergegeben hätten, wenn ihnen die wirklichen Fakten bekannt gewesen wären.

Wir sind ebenfalls zuversichtlich, daß sie nicht wissentlich ein zweifelhaftes Produkt wie zum Beispiel den Goldenen Reis unterstützen wollten, bis er umfassende Sicherheits-Überprüfungen an Tieren durchlaufen hätte und ein rigoroses Überwachungs-Programm für die Phase nach [s]einer Zulassung am Platze wäre.

Es wäre eine Schande, falls ihre auf unbillige Weise erlangten Bestätigungen dem trügerischen Brief eine Aura von wissenschaftlicher Autorität verleihen, die er nicht verdient, und falls er die Politik-Macher dazu überredet, die derzeit aufgestellten Regulierungen abzuschwächen, die bereits nicht angemessen sind, um die Gen-Pflanzen auf die abnormalen Risiken zu überprüfen, vor denen so viele unabhängige Experten gewarnt haben.

Während die Technologie der Gen-Modifikation auf Gebieten wie der Medizin vielleicht wertvolle Anwendungen bietet, führt ihr gegenwärtiger Gebrauch in der Nahrungsmittel-Produktion zu Risiken, die routinemäßig falsch dargestellt werden.

Der von den Nobel-Preisträgern unterzeichnete Brief spiegelt nicht die Wirklichkeit wider, und sie sollten sich selber von dieser Tatsache überzeugen und anschließend den Brief als eine Beleidigung der Wissenschaft und des öffentlichen Vertrauens anprangern.

David Schubert, PhD, Salk Institute for Biological Studies
Steven M. Druker, JD, Executive Director, Alliance for Bio-Integrity

* Übersetzung ins Deutsche erfolgte [mit Anmerkungen] durch die GenAG/attac, die den Original-Artikel von Herrn David Schubert erhalten hatte. Falls zur Hand, vergewissern Sie sich beim Original über die Korrektheit der Übersetzung.